03. bis 05. Februar 2019
„Oh, and by the way, you’re gonna be the only ones there tonight. The other campers just left.“ sagte der YouCamp-Typ am Telefon, bei dem wir gerade unsere Unterkunft für diese Nacht gebucht hatten. Na, das klang ja nach Abenteuer, dachte ich unbekümmert, als unser treuer Walter durch den von diversen bushfires lichten Wald bretterte, Richtung Cooinda Burrong Scout Camp. Kurzzeitig drohte die Fahrt schon am Schlagbaum vor dem Ziel zu enden, da der übermittelte Zugangscode nicht greifen wollte – aber da hatten unsere Vorgänger das Schloß auch einfach nur wieder zugedrückt…
„Sehr … ursprünglich.“ war mein erster Gedanke, als ich mich im Camp umschaute. Eigentlich wurde das Gelände für Klassenreisen, Pfadfinder-Treffen oder ähnliches genutzt, das mit dem Camping war nur so nebenbei. Zwei Flachdach-Barracken mit Schlafräumen und verrammelten Fensterläden standen nebeneinander, auf der anderen Seite war das Gebäuude mit Küche und Speisesaal und die Waschräume, die mit ein paar kräftigen Besenstrichen erstmal von den reingewehten Blättern befreit werden mussten . Tja, wo stellten wir den Walter nun hin? Aus welcher Richtung kam der wieder zunehmende Wind? So richtig gefiel mir keine der Möglichkeiten. Ob der Schlüssel für die Waschräume wohl auch für die Barracken passte? Verwegener Gedanke, aber tatsächlich: Sesam öffne dich! Drinnen war ein endlos langer Flur, von denen kleine Zimmer mit Etagenbetten abgingen. Gelüftet hatte hier offenbar ewig niemand – die Luft war gelinde gesagt zum Schneiden. Hmmh, heimelig war anders, aber trotzdem waren wir ganz happy, als der letzte Raum sich als mögliches Nachtlager aufdrängte. Das war doch besser, als sich draußen im Dachzelt nochmal durchschütteln zu lassen!
Es gibt Situationen, da ist es von großem Vorteil, über eine rege Phantasie und Vorstellungskraft zu verfügen. Wenn man allein (lies: Thomas und ich) in einer Barracke in einem abgelegenen Pfadfindercamp auf einer Matratze liegt und draußen den Wind pfeifen hört, ist es nicht optimal. Fand auch Thomas. „Schatz, ich habe eine richtig gute Drehbuchidee für einen Horrorfilm!“ – „Will ich gerade nicht hören.“ Ja, es war schon etwas unheimlich und es ist interessant, wie einem die Vorstellungskraft Dinge vorgaukeln kann, obwohl doch rational klar ist, dass überhaupt keine Gefahr bestehen kann und erst recht nicht in Australien. Aber irgendwann schliefen wir doch und auch diese Nacht ging vorbei. Die Dusche war übrigens exzellent, um noch was Positives über dieses Camp zu sagen.
Ein neuer, strahlender Tag lag vor uns und damit die Mount Victory Road, die quer durch die Grampians und an mehreren Lookouts vorbei führte. Die hatten wir uns vorgenommen, um nochmal schön viel Zeit in diesem Nationalpark zu verbringen. Direkt die erste Abbiegung führte zum Zumsteins. Merkwürdiger Name, konnten wir uns so direkt nix vorstellen. Viel zu sehen gab es auch nicht, aber aus den zahlreichen Infoschildern lernten wir, dass es hier ein holiday retreat gegeben hat, das eine Ehepaar in den 30ern aufgebaut hatte. Jetzt war aber nicht mehr viel übrig, laut Tafeln haben auch viele Australier an diese Gegend und Zumsteins sehr schöne Erinnerungen. Hmmh!
Uns in schöner Erinnerung blieben hingegen die MacKenzie Falls (deutlich größer als die Stevenson Falls), die direkt der nächste Stopp waren. Der Bluff Lookout, von dem man diesen Wasserfall von oben sehen konnte, war vom Parkplatz schnell erreicht, um zu seinem Fuß zu kommen, mussten wir uns schon ein bisschen mehr anstrengen und ca. 250 Stufen nach unten klettern. Aber es lohnte sich – der Anblick der gewaltigen, fallenden Wassermassen war von dort nochmal beeindruckender. Neben den obligatorischen Fotos machte es auch Spaß, die Felsen drumherum zu erforschen, die anderen Touris zu beobachten und die eine oder andere sich sonnende Eidechse aufzustöbern. Thomas experimentierte mit seiner Unterwasserkamera, aber um das fließende Wasser richtig ins Bild zu bekommen, braucht es wahrscheinlich noch mal ein ganz anderes Equipment.
Am Reed Lookout warteten wir erstmal ein bisschen im Walter, da direkt nach uns einer dieser Reisebusse voller asiatischer Touris angekommen war – erfahrungsgemäß wurden diese ja nach der vorgeschriebenen Anzahl von Minuten von ihrem Reiseführer gnadenlos zurück in den Bus gescheucht. Tick-tack, tick-tack. Und wir? Wir hatten Zeit! Ha! Die Hauptattraktion an diesem Lookout waren The Balconies und diese lagen noch ca. 15 Minuten Fußmarsch vom Parkplatz entfernt. Auf dem Weg gab es einen neuen Beitrag der Serie „Schming on a stone“ … und ich hatte ein bisschen Probleme, von dem Kloppo ohne Verluste wieder runterzukommen.
The Balconies bestachen mit schicken Felsformationen und boten uns zusätzlich einen wirklich wunderbaren Ausblick über das Victoria Valley und umliegenden Gebiete. Ich habe jetzt im Nachhinein gelesen, dass man bis vor kurzem tatsächlich für Fotos auf das „Maul des Teufels“ (für uns eine Hundeschnauze) steigen konnteund es auch trotz Verbots Unfälle mit teils tödlichem Ausgang gegeben hat. Oh du Generation Instagram! Jetzt ist der Zugang dorthin aber komplett gesperrt und das ist auch gut so. Wir alberten auch so genug für ein paar lustige Schnappschüsse herum.
Zuletzt gab es noch den Boroka Lookout, der – ganz ähnlich wie schon der Reed Lookout – einfach einen tollen Blick auf die unter den Grampians liegende Ebene bot, inklusive Seen und umliegender Berge. Hier sprach uns ein älterer Herr auf holprigem Englisch an, der sich fragte, ob er wohl mit seinem Campervan hier auf dem Parkplatz übernachten dürfte. Wir hatten selbst vor, noch bis kurz vor Ararat zu fahren, da wir hinsichtlich des Wildcampens immer noch kein Risiko eingingen. Aber ehe wir uns versahen, sprudelte aus dem netten Herren seine halbe Lebensgeschichte bis hin zu aktuellen Krankheiten heraus – und auch große Freude, als wir uns als Landsleute von ihm zu erkennen gaben (sein Deutsch war aber nach über 50 Jahren in Australien auch recht holprig). Diese Begegnung hat mich irgendwie sehr gerührt, obwohl das Gespräch schon äußerst einseitig war.
Bis zu unserem Ziel, ein Campingplatz beim Great Western Racecourse in … äh, Great Western, war es noch ein ganzes Stück und so langsam setzte auch die Müdigkeit ein. Also sattelten wir die Pferde bzw. den Walter und fuhren nach Westen. Teilweise im strömenden Regen… Der Campground bot mal ein neues Konzept hinsichtlich der Bezahlstrategie. Er kostete nämlich nichts und auch die schicken Toiletten konnten frei genutzt werden. Die Duschen funktonierten allerdings mit Münzeinwurf. Eigentlich ziemlich genial! So konnte man sie bei Bedarf nutzen und musste nicht wieder auf die Jagd nach einer free shower irgendwo im Nirgendwo gehen. Der Andrang auf dem Platz hielt sich auch in Grenzen, sodass wir ein nettes Plätzchen etwas abseits von den Dauercampern fanden und …feststellten, dass uns der Magen ganz gewaltig knurrte. Nach drei Tagen Selberkochen (lies: Nudeln, Nudeln Nudeln) war besonders mir nach kulinarischer Abwechslung und so fuhr ich uns mal eben zum Pizzaladen nach Ararat, weil Thomas schon ein bisschen die Müdigkeit plagte.
Mir plagte dann auch leider was, Schmerzen nämlich. Ins Detail gehen will ich an dieser Stelle jetzt ausnahmsweise nicht, aber es führte tatsächlich dazu, dass ich den sehr sympathischen Dr. Pretorius im Ararat Medical Center kennenlernen durfte. Tatsächlich im Nachhinein eine sehr interessante Erfahrung, in einem fremden Land zum Arzt zu müssen. Und – natürlich – es war alles perfekt organisiert und jeder, mit dem ich zu tun hatte, war super nett. Tja, „no worries“ eben.
Song der Stunde: INXS – By my side