Schming und weg

„May the road rise to meet you.“ (Irisches Sprichwort)

Teil Eins: 16. Juni bis 18. Juni

Hinweis: Die Bilder lassen sich anklicken. Das Format der Vorschaubilder entspricht nicht immer dem Originalbildformat – man sieht also oft mehr, wenn man das ganze Bild aufruft.

Das Reisezeit Irland ging mir schon sehr, sehr, SEHR lange als Reiseziel im Kopf herum, nicht zuletzt (aber nicht nur) ausgelöst durch den wunderbaren Film „Once“ aus dem Jahr 2008. Als dann letztes Jahr der Lieblingsmensch wegen eines Immobilienkaufs gleich zwei Mal ohne mich nach Dublin flog – da legte ich diesen Wunsch sehr konkret auf den Planungstisch für 2025. Will. Da. Hin. So!
Bei näherer Betrachtung war es in diesem Fall und bei diesem Ziel für uns erstmals aber gar nicht so verlockend, alles selbst-organisiert zu machen, wie es sonst so unsere bevorzugte Art war, und wir kamen recht schnell auf den Gedanken, mal ganz anders zu reisen. Auftritt komplett organisierte Bus-Rundreise! Klang im ersten Moment exotisch für uns Individualtouristen, aber die Vorteile überzeugten letztendlich: Man würde in kurzer Zeit maximal viel vom Land sehen, musste sich um nichts kümmern und auch dieses ewige Vor-Ort-Organisieren (Wo müssen wir jetzt hin? Wann können wir im nächsten AirBnB einchecken? Wo kann der Mietwagen abgegeben werden?) entfiel komplett. Und: Bei der geplanten Woche Reisezeit war der Faktor „Gewöhnung auf Linksverkehr“ einfach auch nicht zu unterschätzen.


Also, auf ins „Abenteuer“ Busreise! Bei den zahlreichen Angeboten kristallierte sich schnell Wolters aus der Flut der Anbieter heraus, zum einen weil das tatsächlich ein renommierter Name im Reisebusiness ist, zum anderen passte die Rundreise „Liebenswerte Insel“ sehr gut zu unseren Vorstellungen und zum angedachten Reisedatum. Abgesehen vom sehr weit nördlich liegenden „Giant’s Causeway“ waren hier die wichtigsten Sights der grünen Insel auf der Route und die Hotels sahen auch nett aus. Die vorab bereitgestellten Informationen im Wolters-Portal waren extrem vollständig und alles hatte von vornherein Hand und Fuß. Trotzdem waren wir wirklich sehr, sehr gespannt, als wir am 16. Juni in den Aer Lingus-Flieger nach Dublin stiegen. Wie groß würde die Gruppe sein? Wie würde uns die Reiseleitung gefallen? Und hatten wir uns nun auf eine Woche meckernden Rentnertrupp eingelassen? 🙂

Dublin

Das Rundum-Sorglos-Paket begann schon direkt in der Ankunftshalle, als unsere Reiseleiterin Ela uns mit dem „Wolters“-Schild begrüßte und uns zusammen mit einem weiteren Ankömmling in den Reisebus verfrachtete. Wir staunten nicht schlecht, als deutlich wurde, dass der große, rote 55-sitzige Reisebus tatsächlich nur uns drei party people zum Academy Plaza Hotel bringen würde. Offenbar hatte Fahrer Brendan den ganzen Tag Teilnehmende der Reise vom Flughafen abgeholt, als Letzte trudelte dann noch Ruth aus dem Saarland ein, die damit komplett alleine transportierte wurde. Hier muss man schon mal zweifelnd eine Augenbraue heben und sich fragen, ob für Wolters wirklich keine andere Option gab, allein schon aus Gründen der Nachhaltigkeit.


Unser erstes Hotel lag mitten im Zentrum, unweit des „Blitzableiters“ The Spire und der O’Connell Street (eine der Hauptstraßen in Dublin), und machte einen soliden Eindruck. Ela hatte uns bereits am Flughafen den Tipp gegeben, dass an diesem Tag die meiste Zeit wäre, Dublin zu erkunden, also schmissen wir nur die Koffer in enge Doppelzimmer und machten uns sofort auf die Socken. Ich lief erstmal mit einem großen Grinsen durch die Gassen – endlich, endlich war ich in Dublin! Was für eine sympathische Stadt! Die bunten Häuserfronten und die größtenteils eher niedrige Bauweise gefielen mir sofort, genauso wie die Street Art überall und die vielen, vielen Pride Month Markierungen. Unser erster Weg führte zur Wohnung, die Thomas vor kurzem hier gekauft hatte, sodass er mir seine Investition zumindest von außen zeigen konnte. Dabei mümmelten wir schon mal die ersten Scones vom Lidl (bei denen fehlte aber klar die raspberry jam).

Danach ging es über den Liffey River ins beliebte Temple Bar Viertel, wo bereits eine gute Stimmung herrschte, Menschen die vielen Pubs bevölkerten und aus vielen Türen drang Livemusik zu uns heraus. Klar, das ist auch das Touristenviertel Nummer 1 in Irlands Hauptstadt, aber man verstand auch sofort, warum. Spannend fand ich auch den Icon Walk, wo aus einer der eher shady Seitengassen eine Street Art Galerie gemacht worden war, die berühmte Iren in Filmen, Musik, Literatur oder Sport zeigte. Leider trieben sich trotzdem noch ein paar dubiosere Gestalten hier herum, sodass Thomas mich hier schneller als mir lieb war wieder raus lenkte.

Stattdessen machten wir eine kleine Pause bei „Insomnia“ auf der Dame’s Street, wo es eine Passionfruit Lemonade und einen Salted Caramel Iced Frappé gab, und beobachteten die shoppenden, vorbeieilenden Menschen. Auf dem Rückweg zum Hotel (wo um 19 Uhr der erste Programmpunkt, das Abendessen, auf dem Programm stand) verirrten wir uns sogar schon in den ersten Souvenirladen, natürlich eines der zahlreichen Caroll’s Gift Shops, die ja echt gefühlt an jeder Ecke zu finden sind.

Das Abendessen bedeutete, dass wir zum ersten Mal auf den Rest der Gruppe treffen würden. Drei lange Tische waren für uns reserviert, wo ich gleich die redselige Margit aus Stuttgart samt Ehemann Edwin kennen lernte, die mir begeistert von ihrem Ausflug nach Belfast erzählten, den sie vor Dublin noch eingeschoben hatten. Auch Saskia aus Lübeck war schon früher angereist und würde auch noch länger als die acht Tage bleiben. Hmmh, waren wir hier vielleicht mit Budget und Urlaubstagen zu geizig gewesen? Das Essen bildete den Auftakt zu einem sich durchgehende Schema – es gab die ganze Woche in den verschiedenen Hotels auf unserer Route drei Gänge, wobei immer eine Gemüsesuppe zur Auswahl stand und man zwischen Fleisch oder Fisch als Hauptgericht wählen konnte. Vegetarische Gerichte? Nur auf Anfrage. Naja, die Lachsforelle schmeckte mir ja auch, no worries. Der Nachtisch bestand aus zwei Sorten Cheesecake.

Nach dem Essen ging es nochmal raus ins abendliche Dublin: Ich wollte unbedingt die für ihre Strassenmusiker berühmte Grafton Street sehen. Die liegt hinter dem Temple Bar Viertel, aber der Weg führte uns auch am Trinity College und an der St. Ann’s Church vorbei. Tja, dieses Mal war die Zeit im Dublin zu kurz, um alle Sehenswürdigkeiten mitzunehmen, aber mental hatte ich mir das berühmte Book of Kells schon für den nächsten Dublin-Besuch vorgemerkt. Die Grafton Street, wo unter anderem der von mir sehr geschätzte Glen Hansard einst als Straßenmusiker aufgetreten ist, ist eine lange, ziemlich schicke Einkaufsstraße und Fußgängerzone. Und natürlich auch an diesem Abend die Bühne für hoffnungsvolle Nachwuchstalente. Cody Kirk, ausgestattet mit Gitarre und einer Reihe von Coversongs, lockte allerdings nicht wirklich die Massen an, wohingegen Simone & Tamara, ein italienisches Musikduo mit Gitarre und Geige, einige Meter weiter eine ganze Traube von Menschen um sich versammelten hatten. Die beiden machten richtig Stimmung, besonders, als Simone einen kleinen, schüchternen Jungen mit „I wanna be like you“ aus dem Dschungelbuch erfreuen wollte.

Ein Highlight auf dem Rückweg war „The Portal“. Gar nicht weit vom Hotel entfernt stand am Eingang einer Fußgängerzone ein großer, runder Screen mit integrierter Webcam, der eine regelmäßig wechselnde Straßenszene aus Lublin (Polen), Vilnius (Litauen) und Philadelphia (USA) zeigte – und man konnte den Menschen dort zuwinken! Und oft winkten die sogar zurück! Das hat besonders Thomas sehr fasziniert. Mehr davon! (mehr Infos über das Projekt unter https://www.portals.org/)

Der nächste Morgen kam für unseren Geschmack viel zu schnell und vor allem zu früh … schon um halb neun sollten wir mit Sack und Pack am Bus sein. Aber das war eben der Deal mit einer solchen Reise. Also, Wecker gestellt, die paar verstreuten Kleinigkeiten im Zimmer in die Koffer gestopft und alles schon mal an der Rezeption platziert, um uns ganz in Ruhe über das wohl sortierte Frühstücksbüffett herzumachen. Thomas freute sich über das „full Irish breakfast“ mit Würstchen, baked beans, gebratenen Champions und Rührei, während ich die Cereal Bar plünderte und das bewährte Müsli-Obst-Joghurt-Frühstück bevorzugte.

Die Busrundreise begann – nicht überraschend – mit einer kurzen, eher oberflächlichen Stadtrundfahrt durch Dublin, wo es uns der Dienstagmorgen-Verkehr aber auch schwer machte, und führte uns nach einem Fotostopp an der St. Patrick’s Cathedral zum ersten Programmpunkt auf der Agenda: eine Führung durch die Whiskey-Destillerie Teeling mit anschließendem Tasting. Ehrlicherweise hatten weder Thomas noch ich besonders große Erwartungen an diese Tour, da uns Whiskey im Alltag ehrlich gesagt herzlich schnuppe war. Aber der extrem motivierte, deutschsprachige (!) Guide Oskar und die offene, moderne Aufmachung der Destillerie zogen uns dann doch schnell in ihren Bann und so kostete ich doch sehr gespannt den angebotenen, sieben Jahre gereiften Small Batch Whiskey … gar nicht so übel! Das Glas daneben enthielt nicht, wie ich erst vermutete, einen leckeren Fruchtsaft, sondern den „Summer Iced Tea“ – und wie uns Oskar verriet, deutlich mehr Alkohol als das Whiskeyglas! Den schmeckte man dank des Sirups aber gar nicht so sehr, gefährlich, gefährlich! Aber es war ja erst halb elf Uhr morgens, ich die wahrscheinlich ungeübteste Alkoholtrinkerin ever, also, an beidem nur genippt, im Gegensatz zu einer meiner Mitreisenden, die beide Gläser mit den Worten „Hamma ja bezahlt“ leertrank.

Clonmacnoise

Nach der Tour bei Teeling ging recht schnell raus aus Irlands Hauptstadt und auf die Autobahn gen Westen, wo die meisten unserer Ziele für die Woche lagen. An diesem Tag musste unser Mittagsstopp deswegen an einer Raststätte stattfinden. Nun ja, unsere Reiseleiterin Ela versprach uns kulinarische Besserung. Immerhin gab es hier eine Art FoodCourt mit mehreren Anbietern und Essensvarianten. Die lange Fahrt wurde durch Elas viele kleinere und größere Geschichten und Hintergründe über Irland aber sehr unterhaltsam – wir merkten sehr schnell, dass wir mit unserer Reiseleitung einen echten Glücksgriff getan hatten. Sie konnte so charmant-sympathisch erzählen, hatte einen großartigen Humor und fand genau die richtige Mischung zwischen Anekdoten und Informationen. Ihr putziger Schweizer Akzent sorgte zusätzlich dafür, dass ich sie schnell ins Herz schloss.

Auf dem Weg Richtung Westen, ziemlich genau in der geographischen Mitte von Irland lag eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Landes – die Klosterruine Clonmacnoise. Zugegeben, war mir bis zu diesem Tage überhaupt kein Begriff. Irgendwie war die inhaltliche Vorbereitung auf diese Reise etwas zu kurz gekommen… Aber dafür hatten wir unsere Ela, die uns die Geschichte der Klostergründung im 6. Jahrhundert durch den Zimmermannssohn Ciaràn (später heilig gesprochen) an dieser perfekt gewählten Schnittstelle von Handelswegen und dem großen Fluss Shannon lebendig nahe brachte. Vor Ort gab es auch noch einen Film über diesen mittelalterlichen Ort der Gelehrsamkeit (mehrere wichtige Handschriften sind hier entstanden), den wir uns im Besucherzentrum angucken konnten.

Ich muss wirklich sagen, dass Clonmacnoise mich komplett überrascht hat. Klar, der Umstand, dass bei unserem Aufenthalt alle Regenwolken das Weite gesucht hatten und die Sonne auf die grünen Wiesen und auf den Shannon schien, mag hier nicht ganz unschuldig sein – aber was für ein wunderbarer, einzigartiger Ort! Die übrig gebliebenen Ruinen mit ihren Spitzfenstern und den keltischen Kreuzen davor, das tolle Licht, die Kombination von grünen Wiesen und alten Steinen … ich war fasziniert und wurde mit dem Fotografieren gar nicht fertig.
Tatsächlich ist noch vor zwei Jahren eine Dame hier, auf dem Klosterfriedhof, beerdigt worden, weil ihr früh verstorbener Mann hier auch liegt und sie ihr Recht vehement eingefordert hat, neben ihm begraben zu werden. Auf ihrer Grabplatte, die zwischen all‘ den verwitterten Steinen und Kreuzen auffällig neu hervorstach, hatte man dann buchstäblich in Stein gemeißelt, dass da jetzt aber auch niemand mehr ankommen braucht: „Last person interred in this monastic site.“ Klare Ansage, würde ich mal sagen!

So ein Klosterbesuch macht natürlich durstig! Das muss jedenfalls Ela sich gedacht haben, denn schon kurz hinter Clonmacnoise wies sie unseren Fahrer Ray an, unseren Reisebus zu parken und entließ uns im Ort Shannonbridge für einen kurzen Getränke- oder Eis-Stopp. Die meisten der Gruppe fanden sich kurz darauf in oder vor der stimmungsvoll dekorierten Bar&Grocery „JJ Killeen“ wieder, je nach Geschmack mit Guinness, LadyGuinness (mit Johannisbeerlikör) oder – wie in unserem Fall – Cappuccino. Dabei kam man schon mit dem einen oder der anderen ins Gespräch. Die Mitreisenden kamen wirklich aus dem ganzen Bundesgebiet und einige Schweizer*innen hatten wir auch mit dabei.

Oranmore

Eine Stunde später waren wir dann auch schon im „Maldron Hotel“ in Oranmore, einem kleinen Vorort von Galway, angekommen, wo wir zwei Nächte bleiben würden. Wieder war der Eindruck der Unterkunft sehr positiv – wir bekamen ein schönes, großes, helles Zimmer, das sogar noch ein drittes Bett hatte. Auch die Organisation im Speisesaal war bestens. Unsere Gruppe hatte Plätze in einem eigenen Bereich gleich links neben dem Eingang. Nur die Anzahl der Plätze hatten sie etwas zu genau abgezählt – kaum setzte sich eine alleinreisende Person mit an einen 4er-Tisch, ging die ganze Rechnung irgendwie nicht mehr auf, wie wir mehrfach feststellten und unabsichtlich die Stuttgarter Freundesgruppe „sprengten“, weil einfach nie genug Plätze frei waren. Okay, mag auch mit an unserem meist späteren Erscheinen zum Frühstück gelegen haben…
Zum Abendessen gab es wiederum ein Drei-Gänge-Menü (hallo, Gemüsesuppe!) und am ersten Abend auch eine Fleisch-, eine Fisch- und eine vegetarische Option fürs Hauptgericht, sodass ich mich über eine leckere Portion Fish&Chips hermachen konnte. Aber als ich am nächsten Abend hungrig zum Menü griff, wurde mir die Wahl zwischen Schwein oder Rind gelassen… wie jetzt, nicht mal eine Fischoption? Was war da los? Ela hielt Rücksprache und kam mit der Option Nudeln mit Tomatensoße wieder. Meine mangelnde Begeisterung spiegelte sich offenbar direkt auf meinem Gesicht wieder, jedenfalls verschwand sie direkt wieder und handelte das Gemüse-Curry vom Vorabend für mich aus. Jo, damit konnte ich sehr gut leben!

Nach dem Essen organisierte unsere Reiseleiterin für die, die Lust hatten, einen gemeinsamen Besuch im lokalen Pub, „McDonagh’s The Thatch“. Pub ist übrigens die Abkürzung für „public house“. Ich finde, da versteht man auch noch besser, warum die Pubs so eine zentrale Bedeutung in der irischen Kultur haben, sozusagen die ausgelagerten Wohnzimmer. Die irischen Häuser und auch die Zimmer sind sichtbar kleiner als bei uns zulande, sodass sich eben das Leben immer auch außerhalb der eigenen vier Wände abgespielt hat. Und dieses Puberlebnis ist schon deutlich unterschiedlich zu unserer Kneipenkultur. Kein Vergleich zu so einer Berliner Eckkneipe, wie ich sie kennen gelernt habe!

Connemara

Der nächste Tag war zufällig Thomas‘ Geburtstag, aber er hatte mich gebeten, da in der Busgruppe kein großes Ding draus zu machen, er wollte sehr deutlich nicht, dass der ganze Bus „Happy birthday“ für ihn schmetterte oder so was in der Richtung. Ein bisschen schwergefallen ist mir das irgendwie schon, aber natürlich seine Entscheidung. Also haben wir das nur privat für uns gefeiert. War auch ganz schön!
Das Programm für diesen Tag bestand in einem ausgiebigen Ausflug nach Connemara und zu Kylemore Abbey, was bedeutete, dass es nicht ganz so doll früh los gehen musste. Yay!

Unsere Route führte uns erstmal an der Atlantikküste Richtung Westen vorbei, ein eher grauer und bedeckter Tag. Das Thermometer zeigte magere 17 Grad. Entsprechend auch vereinzeltes Gelächter, als die muntere Ela uns nach ihrem obligatorischen „Guuteen Moooorgen!“ fragte, ob wir denn alle unsere Badesachen mitgebracht hätten, gleich ginge es an den Strand. Aber kaum hatte Ray unseren Bus in Spiddal geparkt, wurde deutlich, dass das kein Shnack war. Sowohl Ela als auch unsere Mitreisende Saskia stürzten sich zum großen Erstaunen von Ruth, Thomas und mir tatsächlich in die Wellen. Respekt! Wir spazierten dann ein wenig den gut ausgebauten Weg am Atlantik entlang und freuten uns über die freundlich grüßenden locals, die hier zum Beispiel Gassi gingen.

Connemara ist einer von sieben Nationalparks in Irland und Teil des County Galway. Die Landschaft ist von Torfmooren und dichter Heide durchzogen, immer wieder unterbrochen von Seen. Die Straßenschilder sind oft nur auf Gaelisch, nicht zweispachig wie im Rest des Landes. Überall grasen Schafe und vereinzelt auch eins der Connemara-Ponies. Es hat eine wilde, raue Ursprünglichkeit. „Das ist das Erholungszentrum für überarbeitete Reiseleiter.“ Ela zeigte auf ein sehr rustikal wirkendes kleines, weißes Häuschen an einem See, wunderschön gelegen. Natürlich nur einer ihrer trockenen Scherze, tatsächlich handelt es sich um „Gillie’s Hut“, direkt daneben der Screebe Wasserfall. Ideal für einen Fotostopp. Der Nächste folge kurze Zeit später am Lough Inagh, wo findige Iren an die Touristen Futter für ihre Schafe verkauften, damit sie diese füttern (und fotografieren) konnten. Ähm, davon hielten wir uns lieber fern und kletterten lieber am Seeufer herum und versuchten, die zerklüfteten Steine aufs Bild zu bekommen.

Kylemore Abbey

Gegen halb eins tauchte dann Kylemore Abbey vor uns auf, ein unfassbar schön direkt an einem klaren See gelegen. Auch diesmal hatte ich noch nie zuvor etwas von diesem Gebäude gehört, aber schon in diesem Moment eine Ahnung, dass dies ein Highlight werden könnte.

Die Geschichte hinter dem beeindruckenden, viktorianischen Herrenhaus und der großen Anlage ist geradezu Hollywood-reif: Der Finanzier Mitchell Henry ließ es hier 1867 erbauen, nachdem seine junge Frau Margaret sich bei ihren Flitterwochen in die wunderschöne Landschaft verliebt hatte. Mit 33 Schlafzimmern, mehreren Bädern, einem Ballsaal und einer Bibliothek hatte er hier wirklich großzügig geplant für sich, seine Frau und ihre neun Kinder. Sehr wichtig war auch der ummauerte, große Garten für die Erholung und zur Versorgung der Bewohner. Leider starb Henrys geliebte Frau nur wenige Jahre später bei einer Ägypten-Reise an einem Fieber, sodass er fortan die glücklichen Erinnerungen an diesen Ort nicht mehr ertrug und das Anwesen mied, nicht ohne ihr aber mit einer eigenen Kirche noch ein ewiges Denkmal zu setzen. 1920 erwarben belgische Benekdiktinerinnen aus Ypern Kylemore, deren eigenes Kloster im Ersten Weltkrieg zerstört wurde. Für sie wurde das Herrenhaus zur neuen Heimat und sie eröffneten ein Mädcheninternat (seit 2010 geschlossen) und einen Bauernhof.

All‘ diese Informationen lieferte uns unsere versierte Ela schon bei der Anreise, sodass wir mit viel Vorwissen selbst ans Erkunden gehen konnten. Im Herrenhaus ist das Erdgeschoß zugänglich und einige Räume sind mit originalen Gegenständen der Henrys ausgestattet, sodass man einen Eindruck bekommt, wie sie damals hier gelebt haben. Die Gestaltung der Räume beeinhaltete auch multimediale Elemente und gefiel mir wirklich sehr gut. Ich finde es immer total interessant, zu sehen, wie das Leben vor unseren modernen Zeiten war und welche heutigen Selbstverständlichkeiten es damals einfach nicht gab. Im ehemaligen Ballsaal gab es noch eine interessante Fotoausstellung mit Bildern aus den Anfängen der Fotografie, wo ein Reisejournalist hier in Gegend verschiedene Menschen und Gruppen aufgenommen haben, und diese Bilder waren aufwändig nachcoloriert worden. Ich finde, man hat gerade bei der Landbevölkerung deutlich gesehen, dass sie nicht wussten, was es bedeutet, wenn jemand ein Foto von ihnen macht – da gab es große Unterschiede zur heutigen Selfie-Generation! 🙂

Wir kamen ein bisschen in Zeitplanschwierigkeiten, da wir sowohl den viktorianischen Mauergarten (und die Connemara-Ponyherde) noch sehen als auch den Magen im Restaurant noch füllen wollten – tja, der straffe Zeitplan einer geführten Reisegruppe passte nicht immer zu unserem eigenen Tempo. Wir entschieden uns aber trotzdem erstmal für den kulturellen Teil und gondelten mit dem Busshuttle zur anderen Seite des weitläufigen Anwesens, durch einen kleinen Waldabschnitt. Nachdem wir den Ponies „Hallo“ gesagt hatten, ging es einmal quer durch die wunderschöne Gartenanlage. Hier hätte man sich sicher mehr Zeit lassen können unter anderen Umständen, aber so ein bisschen saß uns die tickende Uhr eben im Nacken. Trotzdem war die Anlage beeindruckend und zeigte eine ausgewogene Mischung zwischen Zier- und Nutzpflanzen. In einem Gewächshaus entdeckten wir auch tropischen Früchte und Bananenstauden. Die Rückfahrt zum Herrenhaus zog sich etwas, weil gerade sehr viele die gleiche Idee hatten (…oder einen ähnlichen Zeitplan?) und so der erste Busshuttle ohne uns gefahren ist. Aber unsere Rechnung ging trotzdem auf, die Schlange im Restaurant war verschwunden und wir konnten uns dem legedary Apple Pie (ich) und dem Strawberry Crumble (der Birthday Boy) samt preisgekröntem Scone (diesmal mit raspberry jam und Butter) widmen. Ein (Geburtstags-) Fest!

Der Bus brachte uns dann wieder Richtung Osten und wir machten noch einen letzten Fotostopp am Killary Harbour, direkt am einzigen Fjord in Irland. Und hier kamen für mich natürlich Norwegen-Vibes auf… Laut Ela sollen sich hier auch Delfine, Otter, Seehunde und Kegelrobben ein Stelldichein geben, aber so sehr ich die Augen auch aufsperrte, Faunamäßig blieb es bei Schafen, Kühen und einigen Seevögeln. Vielleicht lag es auch einfach am recht niedrigen Wasserstand? Egal, trotzdem ein schöner Blick auf den Fjord, die Muschelbänke und das kleine Städtchen Killary, das auch als das Herz von Connemara bezeichnet wird.

Ende erster Teil

Next: Blauer Himmel, Pipi in den Augen, ein ungewöhnliches Souvenir und schnelle Füße

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