12. Januar – 15. Januar 2019
Es gibt so Momente, da denkt man (=ich) dann schon “Woah… was mache ich hier gerade eigentlich?“ Falscher Film. Frei nach dem Motto “Passiert das wirklich?“ Mit der Kopflampe nachts auf dem unbeleuchteten Plumpsklo sitzen, zum Beispiel. Oder im Wald duschen, unter einem Baum mit sonnengewärmtem Wasser aus dem aufgehängten schwarzen Sack (lies: Campingdusche. Übrigens ihr bisher einziger Einsatz), während Thomas meinen knallpinken, zwanzig Jahre alten Sarong als Duschvorhang zum Einsatz bringt. Beides Episoden beim free Camping im Forest Headquarter Wald. Uff. Dabei bin ich doch gar nicht so outdoorsy.
Aber da war Licht am Horizont, Lohn für all’ die Mühen und Pause vom Camping: Unser nächster Stopp sollte Sydney sein, eine der Orte, auf die ich mich mit am meisten gefreut hatte. Ein weiterer warmer, musikerfüllter Tag auf dem Motorway und wir waren in Marsfield, einem der zahlreichen Vororte der Metropole. Campen kann man in der Großstadt natürlich nicht so richtig bzw. geht schon, ist aber weder das, was wir uns für unseren Sydney-Aufenthalt vorgestellt hatten noch in unserem Budget (“Glamping“ ist zutreffender). Also hatten wir uns das günstigste und gleichzeitig immer noch im Großbereich Sydney liegende AirBnB geschossen, was wir so finden konnten. Und das mal wieder total kurz vor um, sodass es bei 30 $ pro Nacht lag. Beschreibung und Foto wirkten ganz okay und Lage war so gerade noch im Grenzbereich. Allerdings war dieses AirBnB-Erlebnis so das genaue Gegenteil von dem in Brisbane, mussten wir feststellen. Die Vermieterin, Shirley, war selber nicht vor Ort, aber das Haus und die Wohnung wären offen, einfach reingehen, schrieb sie. Okay… sind wir also in ein fremdes Haus in eine fremde Wohnung, ohne zu wissen, ob wir richtig sind. Sehr merkwürdiges Gefühl! Die Wohnung machte zudem den Eindruck, als würde da niemand wohnen, überall Sachen, die verkauft werden sollten, Pflanzen, Küche, Balkon in desolatem Zustand, kein Mensch, kein Zettel, kein Nichts. Das Zimmer war dann ganz okay, vor allem, weil wir unser eigenes Bad hatten, aber andere Räume waren auch nicht nutzbar. Der Rest blieb bis zum Ende unseres Aufenthalts mysteriös. Es tauchten noch zwei weitere (Langzeit?) Bewohner auf, die aber an uns kein Interesse hatten. Hinter den Schränken im Wohnzimmer war plötzlich Licht und jemand telefonierte… Hmmh!
Thomas musste an unserem ersten Tag in Sydney arbeiten und hatte zudem einen Termin beim Zahnarzt gemacht (! Die App namens “HeathEngine“ will ich unbedingt auch in Deutschland; dort kann man freie Arzttermine in der Nähe finden und buchen – sehr cool), also habe ich mir selber einen Plan gemacht, wie ich mir die Stadt angucke. Die bewährten Nikes angezogen, im nächsten Woolworths eine Opal-Karte mit 10 $ für den öffentlichen Nahverkehr gekauft (Sydney hat eine Art Pre-Paid-Card-System für alle öffentlichen Verkehrsmittel, super Sache) und fröhlich zum Bus marschiert. Tja, den dann zu finden, war mühsam, aber irgendwann hatte ich es dann doch nach Chatswood, zum Zug in die City, geschafft. Übrigens funktioniert diese Opal-Card so, dass man jeweils beim Betreten und Verlassen des Verkehrsmittels die Karte scannt und automatisch der korrekte Betrag abgezogen wird, aber nicht mehr als 15,80 $ am Tag, Sonntags sogar nur 2,70 $ (der besagte Tag WAR praktischerweise ein Sonntag – bedeute auch, dass Thomas an einem Sonntag zum Zahnarzt gehen konnte … verrücktes Land!)
Sydney spiegelte in konzentrierter Form wieder, wie wir Australien bereits auf dem bisher zurückgelegten Weg wahrgenommen haben: alles ist extrem gut organisiert, überall stehen große Schilder und die Infrastruktur ist super. So stand ich ohne große “worries“ kurz darauf an der Sydney Town Hall und hatte noch etwas Zeit, bevor die “I’m free“ Walking Tour, die ich mir rausgesucht hatte, beginnen sollte. Also auf gut Glück bzw. immer den Schildern nach losgelaufen und erstmal im Darling Harbour gelandet, einem Erholungs- und Freizeitviertel direkt am Wasser. Hier fanden sich SeaLife, das Maritime Museum und die Sydney Wildlife World. Mit anderen Worten: Ich war mitten in Touriland. Also bin ich erstmal über die Pyrmont Bridge gelaufen und war etwas unschlüssig ob meines ersten Eindrucks dieser Stadt. Irgendwie wieder so eine dunkle, kantige Skyline mit mächtig Kommerz drumherum und auf den ersten Blick wenig Charme. Entsprechend wenig beeindruckt war ich.
Punkt 14:30 Uhr, nein, natürlich sogar etwas früher, deutsch bleibt deutsch, war ich am großen Anker neben der Town Hall und musste nach den Menschen in den knallgelben Shirts gar nicht lange suchen, die Sprachen mich schon selber an, ob ich für die Free Walking Tour da wäre. Zack, Ticket in die Hand gedrückt bekommen und kurz darauf ging es auch schon los.
Das Konzept der “I’m free“ Walking Touren ist so einfach wie einleuchtend. Man zahlt erst am Ende der Tour und zwar das, was es einem wert gewesen ist und wie zufrieden man gewesen ist. Das stellt sicher, dass der jeweilige Guide sich auf jeden Fall große Mühe gibt. Mich hat dastotal überzeugt, weil ich gemerkt habe, dass ich so deutlich entspannter zur Tour gekommen bin.
Etwas erleichtert stellte ich fest, dass die Gruppe überschaubar war, vielleicht 15 Leute. Dennoch heftete ich mich ganz streberlike von Anfang an an die Fersen von Guide Matt, um ja nix zu verpassen und weil er es echt schaffte, mich komplett einzufangen! Guter Erzähler, laute Stimme (kein extra Mikro wie im Koala Hospital) und super im Gleichgewicht zwischen Fakten und amüsante Anekdoten. So nahm er uns mit auf die Reise durch Sydneys Geschichte, die mit der HMS Sirius und der “First Fleet“ 1788 begann, zunächst als Sträflingskolonnie eine erste Daseinsberechtigung hatte (durch die Unabhängigkeit der ersten 13 amerikanischen Bundesstaaten brauchte die britische Krone einen neuen Ort, wo sie die hinschicken konnte) und letztlich durch Bestrebungen durch Leute wie John Macarthur und Lachlan Macquarie wurde daraus eine zukunftsfähige Siedlung, benannt nach dem damaligen britischen Innenminister, Lord Sydney.
Auch Episoden der neueren Stadtgeschichte wie das bis heute nicht aufgeklärte Bombenattentat auf das Hilton Hotel oder die Geiselnahme 2014 in einem Lindt Chocolate Café fanden Erwähnung in dem zweieinhalbstündigen Rundgang, genauso wie einige Verweise auf hier gedrehte Filmszenen, wie“ “The Matrix“. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir aber die Geschichte von dem bekanntesten Wahrzeichen der Stadt, dem weltberühmten Opernhaus, gerade weil Matt die Stadtvertreter als die Bösewichte und den dänischen Architekten Jörn Utzon als tragische Figur darstellte (in meinem Reiseführer liest sich die Geschichte tatsächlich etwas anders…). Egal, welche Lesart man nimmt, die Tour endete mit einem großartigen Blick auf das Opernhaus, der sofort Lust machte, diese Sehenswürdigkeit näher zu erkunden. Also bin ich mit Tour-Teilnehmerin Hee-Sin aus Dortmund (die halbe Gruppe sprach mal wieder deutsch – wir sind echt ein reiselustigen Völkchen!) um den Quad herum und haben uns die “Konzertmuschel“ mal aus der direkten Nähe angesehen. Hee-Sin war etwas enttäuscht, dass sie auf Bildern immer weißer wirkt und stellte fest, dass das Dach mit einer Art Mosaik aus zweifarbigen Fliesen gedeckt war. Hielt uns nicht davon ab, das Ding von vorne bis hinten, mit und ohne Sydney Harbour Bridge zu fotografieren!
Am nächsten Tag fuhren Thomas und ich dann nochmal gemeinsam, zu unserem eigenen Sydney-Erlebnis, in die Stadt rein,auch wenn nun der günstige Sonntagstarif bei den Öffis nicht mehr aktuell war. Aber wir parkten Walter einfach in der Wohngegend bei Chatswood und fuhren von dort mit dem Zug – das minimierte die Kosten enorm. Zuallererst stand die Harbour Bridge auf dem Programm bzw. das Überqueren selbiger. Kann man auch für 300 $+ im Bridge Climbing ganz oben auf den Brückenpfeilern als totales Event machen (wir haben einige Gruppen da oben beobachtet), aber kostenlose Spaziervariante à lassen “wir laufen einfach rüber“ war uns schon spektakulär genug – die Aussicht auf die Bad und das Opera House war an diesem sonnigen, klaren Tag einfach fantastisch!
Ein bisschen Chillen im Royal Botanic Garden und dann bin ich auch mit Thomas zum extreme fotoknipsing zum Opernhaus gegangen. Es ist schon echt ein faszinierendes Gebäude… und das Wetter war ja auch nochmal schöner. Man sagt, wer Sydney besucht hat ohne ein Foto vom Opernhaus zu haben, war nicht wirklich dort. Nun gut, in dieser Hinsicht habe ich dann wohl meine Quote übererfüllt!
Nach einer Touripizza im Australian Heritage Hotel (die servieren als Clou auch eine “Coats of Arms“-Pizza mit Känguru und Emu drauf, haben wir aber nicht bestellt) im Ausgehviertel The Rocks sind wir dann tatsächlich nochmal über die Sydney Harbor Bridge gelaufen, einfach, weil es ein schönes Erlebnis ist. Viele Sydneysider joggen da auch, ist vielleicht neben der sechsspurigen Straße nicht so gesund wie sie sich das erhoffen. Auf der anderen Seite habe ich uns dann zu Wendy Whiteley’s Secret Garden navigiert, über den ich in einem Blog als Geheimtipp gelesen hatte. Tatsächlich ein ganz magischer Ort, an dem man plötzlich vergisst, dass man in der Großstadt ist. Ganz versteckte Sitznischen mit toll viel Pflanzenwelt drumherum, die sich dann plötzlich öffnet und den Blick auf die Harbor Bridge freigibt.
Wir fanden dann einen Weg am Wasser entlang zurück zur Zugstation, der ein perfekter Abschluss für unseren Tag in der bekanntesten Stadt (oh, hier streiten sich die Sydneysider mit den Melbournians) Australiens. Und was für eine tolle Stadt! Auch wenn meine Füße so richtig, richtig, RICHTIG qualmten nach den zwei Tagen.
Song der Stunde: The Shins – Australia