Ich sitze im Cockpit, wie immer nicht auf der Bank, sondern auf der „hohen Kante“, die nackten Füße lässig von mir gestreckt, und beobachte die immer länger werdenden Sonnenstrahlen über der Bergkette. Stille liegt über der Bucht, in der wir vor Anker gegangen sind, nur unten in der Pantry rumort es. Kurz darauf erscheint der Kopf meiner Mitseglerin Sigrid im Niedergang und sie reicht mir einen Becher Kaffee. „Navigare vivere es“ steht es dort blau auf weiß und ich muss grinsen ob der Wahrheit dieser kurzen Zeile. Stumm sitzen wir nebeneinander, schlürfen unseren Kaffee und genießen den beginnenden Tag, die wunderschöne Ankerbucht, die Ruhe um uns. Lange dauert es aber nicht, bis der Rest der Mannschaft auch munter wird und die Vorbereitungen für das Frühstück beginnen. Ein Ablauf, der sich in den letzten fünf Tagen total eingespielt hat, sodass auch Skipper Jochen nur noch wissend grinst, als ich ihm meinerseits den gewohnten Becher Kaffee in die Hand drücke, sobald er den Kopf aus seiner Kajüte gesteckt hat. Meine Belohnung folgt auf dem Fuße – während Sigrid, Sonja und Yvonne weiter in der Pantry werkeln, springe ich zusammen mit Uli und Michael mal eben für ein kurzes, morgendliches Bad ins Wasser. Herrlich… That’s life!
Es war ja nicht mein erster Segeltörn dieser Art. Schon 2011 und 2012 hatte ich mir eine Koje auf einem Boot ähnlicher Größe und unter ähnlichen Voraussetzungen gebucht und war vor allem 2011 auch total begeistert gewesen. Aber irgendwie passte es 2014 besonders gut – und das, obwohl der Törn beileibe nicht pannenfrei ablief.
Geplant war wieder, wie 2011, 1 Woche auf und um Elba, mit dem DHH. Und von Anfang an war alles sehr vertraut. Die gleiche, etwas langwierige Anreise über Lübeck und Pisa, das gleiche Boot wie 2011 (die „Levante“), der gleiche Gruppengroßeinkauf beim Conad, die gleiche Pizzeria in Portoferraio am ersten Abend. Direkte Sympathie mit meinen Mitseglern. Sigrid und Uli, die ausgewanderten Mediziner aus der Schweiz, Sonja und Yvonne, die beiden Freundinnen vom Bodensee, Michael, der sportliche CEO aus Boston. Dazu der Skipper Jochen, ein IT-Berater aus Köln, und ich. Die Chemie stimmte schnell in der medizinerlastigen Gruppe. Viel Segelerfahrung, viel Segellust. Also hieß es Sonntag Vormittag, nach der obligatorischen Sicherheitseinweisung, „Leinen los!“ und wir waren unterwegs.
Dachten wir. Jochen ließ uns, um mit dem Boot vertraut zu werden und weil kaum Wind war, einige Motormanöver fahren und wir waren noch nicht mal aus der Bucht raus, als der Motor plötzlich schlapp machte. Hmmh. Zwei – drei weitere Versuche zeigten, dass die Drehzahl ohne erkennbaren Grund schlagartig runterging. Ergebnis: Zurück in die Werft von Portoferraio (unter „Begleitschutz“).
Positiv: So konnten wir das WM-Finale oben in der Schule des DHH mit den zahlreichen Segelschülern gucken & vorher lecker beim „Sarden“ in Magazzini essen.
Negativ: Zeitmäßig kostete uns das Capraia. Zusätzlich holte ich mir beim Baden eine sehr schmerzhafte Quallenverbrennung (merke: Nicht ins Wasser gehen, wenn die Einheimischen an Land bleiben).
Nach dem Besuch von Techniker Claudio am nächsten Morgen und einem halben Tag Kartenkunde wegen anhaltendem Regen ging es aber Montag Nachmittag dann doch endlich los, Kurs Marciana Marina. Das liegt noch auf Elba, aber auf der Westseite, Korsika zugewandt und war somit der ideale Startpunkt für uns, ist aber auch ein wirklich schöner Hafen mit malerischer Altstadt.
Dienstag morgen hieß es dann „Kurs auf Korsika!“ Auf dem Wasser sahen wir dann nicht nur Delfine, sondern trafen auch die „Dolphin“, ein Katamaran mit dem schwäbischen Skipper Helmuth, den wir am Abend vorher besichtigen durften. Ein sanfter Raumschotkurs brachte uns völlig stressfrei rüber nach Frankreich – Ulli und Yvonne hissten stolz die Gastlandflagge und den „Korsen“, was ich selbstverständlich auch entsprechend im Bordbuch vermerkte. Nach einem wunderbaren, langen Segeltag hatten wir uns das 3-Gänge-Menü mit korsischen Spezialitäten in Macinaggio aber auch wirklich verdient.
Für Mittwoch galt es, die relativ kurze Distanz bis Bastia, südlich von Macinaggio, zu überwinden. Und so blieb Zeit, in einer Bucht vor Anker zu gehen und in dem kristallklaren Wasser zu baden, bevor wir in der eher nüchtern gehaltenen Großstadt-Marina anlegten. Immerhin gab es hier Gelegenheit, die Vorräte im Supermarkt wieder aufzufüllen und die Ausrüstung der „Levante“ zu verbessern (wir haben sechs Gläser und neue Mooringhandschuhe gestiftet). Die angrenzende Disco hält uns alle länger als nötig wach, aber gegen halb zwei ist dann doch Ruhe.
Siggis Obstsalat war der absolute Hit beim Frühstück am nächsten Morgen und der perfekte Start in einen weiteren großartigen Segeltag, der uns zurück nach Elba führte. Je näher wir der Insel kamen, desto mehr nahm der Wind zu. Für mich, die gerade am Steuer stand, der absolute Spaß – die „Levante“ nahm ordentlich Fahrt auf und ich musste einiges an Kraft aufwenden, um den Kurs zu halten. Super! Jochen stand aber zur Sicherheit klar an der Großschot, ein beruhigendes Gefühl!
Der Plan war, die Nacht in einer geeigneten Ankerbucht zu verbringen, bevor es am Freitag wieder nach Portoferraio gehen sollte. Jochen fluchte allerdings etwas vor sich hin, als er merkte, dass die Revierempfehlungen bei der aktuellen Wetterlage nicht zutrafen. Wir warfen schließlich im Golfo di Stella unseren Anker und beschlossen nach einem windigen Abendessen, dass es ohne Ankerwache nicht gehen würde – die Düse, in der wir uns befanden, flößte uns ordentlich Respekt ein. Also, von Mitternacht bis 6 Uhr jeder eine Stunde Wache an Deck mit Rettungsweste und Taschenlampe. Das war schon ein kleines Abenteuer! In absoluter Stille, nur mit dem Mond über der Bucht an Deck zu sitzen war ein Erlebnis, an das ich noch lange zurückdenken werde, genauso wie an das Bad im Sonnenaufgang am Morgen danach.
Auf dem letzten Stück zurück nach Portoferraio hatten wir dank des wieder sehr guten Winds richtig Spaß an einer ordentlichen Schräglage und der flotten Geschwindigkeit. Getoppt wurde das nur noch, als wiederum Delfine unseren Weg kreuzten und diesmal um einiges näher als die Tage zuvor. Damit ich in Übung für meinen anstehenden SKS blieb, fuhren wir auch noch ein paar Wenden und Halsen und ich durfte die „Levante“ schließlich in ihre Heimatbox fahren (mit Jochens Unterstützung).
Als wir abends schließlich in der „Grotte“ beim Abschiedsdinner saßen (netterweise auf Einladung des DHH, wegen der Motorprobleme am ersten Tag), war die Stimmung schon sehr wehmütig. Es hatte einfach super gepasst mit unser Truppe, alle hatten richtig Lust aufs Segeln, alle haben mit angepackt, wenn es um Essen, Abwaschen, etc. ging und verstanden haben wir uns auch noch richtig gut. Jochen lobte uns auch als seine beste Crew, die er in seinen sechs Wochen Elba gehabt hatte. Ich musste am nächsten Morgen auch echt ein Tranchen verdrücken, als ich mich von Ulli und Siggi verabschieden musste.
Na, wer weiß? Vielleicht schaffen wir es ja, uns nochmal zum Segeln zusammen zu finden?