15. Januar bis 18. Januar 2019
Bevor ich weiter von unseren Erlebnissen nach dem Aufenthalt in bzw. wohl eher bei Sydney berichte, muss ich meiner Begeisterung über die vielen kleinen Lösungen Luft machen, die fast zufällig kommen und sich als so goldrichtig erweisen, dass man sich jeden Tag darüber freuen kann.
Und zwar hatte ich vergeblich bei unserem Walter-Ausrüstungsmarathon nach stabilen und praktischen Plastikgläsern für unsere Kaltgetränke Ausschau gehalten. Das eigentliche Campinggeschirr (2 Teller, 2 Becher, 2 Schüsseln) war fix gefunden, nur Gläser, die bezahlbar und/oder nicht goldfarben, mit Glitzer oder Flamingos verziert waren? Fehlanzeige. Nun gut, dachte ich mir, trinken wir unseren Saft eben total Basic aus’m Henkelbecher.
No worries.
Auf dem Weg nach Bribie Island kam ein Hungergefühl auf. Also mal eben die Freunde von GoogleMaps gefragt, wo man denn am Motorway zwischen irgendwo dund nirgendwo was Bezahlbares und für Omnivoren sowie Beinahe-Vegetarierinnen gleichermaßen Geeignetes finden könnte. Die Antwort an diesem Tage (und noch so an so einigen weiteren!): Domino’s verkauft einige Value Pizzen tatsächlich für sagenhafte 5 Australische Dolleros, also ca. 3,15 $. Der Tag war heiß, also noch ein kühles Getränk dazu. Der Domino’s-Angestellte reichte uns dazu zwei 0,4 l Plastikbecher, in den sie normalerweise ihre Eiscremeshakes ausgeben. “Hey“, sagte ich, “lass’ uns die mitnehmen.“ Und was soll ich sagen, sechs Wochen später trinken wir unseren Saft immer noch aus den Dingern, haben sie unzählige Male abgewaschen, damit Mangos geschält und Waschmittel abgemessen. Sie sind einfach unverwüstlich! Nur der Aufdruck ist mittlerweile etwas verblasst. Wie schade, diese Becher einfach nach 1x Gebrauch wegzuschmeißen? Nachhaltigkeit at its best.
Aber wir waren nach Sydney weiterhin auf dem Weg nach Süden. Ich hatte schon ernsthaft mit den Blue Mountains als Stopp geflirtet, nur hatte ich nach zwei Tagen Sightseeing echte Schmerzen im Knie, weswegen ein wanderintensives Ziel wie die Mountains leider keinen Sinn machten. Kaum lag die Großstadt hinter uns, führte uns GoogleMaps an einem sehr schönen Küstenabschnitt mit vielen tollen Ausblicken auf den Ozean entlang. Moment, die Great Ocean Road beginnt doch erst hinter Melbourne? Es muss eben nicht immer die Hauptattraktion sein, für die man seine Photostopps einlegt.
Unterhalb von Sydney hatten wir etwas Probleme, einen geeigneten, also bezahlbaren Campingplatz zu finden, da sie dort tatsächlich nicht in großer Zahl vorhanden waren. Gerne wäre ich in Jervis Bay oder in der Nähe geblieben, aber wir befanden uns immer noch in den Schulferien und es war einfach voll und / oder sehr teuer. Kein Problem, Meister Thomas fand einen Showground in Bega und stellte sich sportlichst der Herausforderung, den bis 7 Uhr abends zu erreichen, gegen der Vorhersage von GoogleMaps. Eine Lunchpause bei einer bekannten Fastfoodkette (Ironie an!) warf uns zeitlich stark zurück, aber der Walter gab alles und brachte uns innerhalb des berühmten akademischen Viertelstündchens ans Ziel. Auch diese Showground erwies sich als wirklich brauchbarer Campground mit guten Duschen. Mir gefiel besonders die morbide Backsteinoptik des Gebäudes.
Der bewährten Taktik folgend blieben wir dort zwei Nächte mit dem Plan, endlich auch mal einen Strandtag einzulegen. “Tathra Beach“ sollte es nach meiner spontanen Ansage (nach Konsultation von GoogleMaps) am nächsten Morgen dann werden, fanden wir auch problemlos, aber was nicht zu sehen war, war das Meer … keine fünf Meter konnte man an diesem Tag gucken und ich fühlte mich an Szenen des “Nichts“ aus der Verfilmung von Michael Endes “Unendlicher Geschichte“ erinnert. Was war los? Nun, Seenebel lag über der Küste und das sah zwar recht mystisch aus, machte aber keine Lust auf Baden, brrr! Sollte es auch nicht, wie uns ein zufällig vorbei kommender local erläuterte. Viel zu gefährlich zum Schwimmen, er selbst wäre hier schon mal fast wegen der unberechenbaren “rips“ (das sind für Australien recht typische Unterströmungen) ertrunken. Na ja, bisschen aufs Meer schauen, ist auch ganz schön. Wäre denn was zu sehen!
Also sind wir dann weitergefahren zum “Old Tathra Wharf“, dem historischen Holzkai von Tathra, der 2008 zu trauriger Berühmtheit gelangte, weil zwei Kinder von dort ins Wasser stützten – ihr Vater sprang hinterher im Versuch, sie zu retten. Alle drei ertranken. Warum es an der Längsseite auch jetzt noch keine Brüstung gibt, ist mir ein Rätsel, bei aller historischen Authentizität. Denke, die Angler und Möwen, die sich bei unserem Besuch dort tummelten, hätten damit kein Problem.
Nachdem wir uns die Bäuche im lokalen “Fish&Chips“-Laden vollgeschlagen hatten, habe ich mir ein Herz gefasst, mir zum zweiten Mal die Autoschlüssel geschnappt und hab den Walter bis kurz hinters Ortsschild von Bega gefahren – immer noch eine schweißtreibende und herzrasende Angelegenheit für mich, aber es ging voran. Nur beim Versuch, den Blinker zu setzen, aktivierte ich zielsicher jedes Mal den Scheibenwischer. Ist eben alles umgedreht in so einem Linksverkehr-Auto. Aber ich hatte nun Geschmack an der Sache gefunden und setzte mich prompt am nächsten Tag auch wieder hinters Steuer. Wir hatten einen Campingplatz im Hinterland auf dem Weg zur Südküste gefunden, also ab auf die Straße mit Walter und mir!
Eine Besonderheit in Australien machte mir das mit dem Fahren etwas schwer: Die Australier kennen so was wie Sicherheitsabstand offenbar nicht. Klar fuhr ich gerade in der ersten Zeit nicht rasant schnell, sondern eher verhalten, aber egal, wie ich oder auch Thomas fuhr, 90% der hinter uns fahrenden Autos klebten uns direkt hinten an der Stoßstange. Haben wir ihnen Gelegenheit zum Überholen (meine sehr geschätzten “overtaking lanes“) gegeben, zogen sie mitnichten davon, sondern fuhren gemächlich vor uns her, auch weil wir immer immer immer innerhalb des geltenden Tempolimits fuhren (meistens 100 km/h, auf Motorways auch 110 km/h). Das war gelinde gesagt irritierend. In Brisbane hatten wir von dem Werkstatt-Azubi gelernt, dass man hier das Fahren von den Eltern oder anderen Erwachsenen lernt (da hat man dann das berühmte Learner’s L hinten dran) und es so was wie Fahrunterricht in der Regel nicht gibt. Na, dass sich da möglicherweise die Unarten von Generation zu Generation weitervererben halte ich nicht für ausgeschlossen. Jedenfalls musste ich aufpassen, dass mich diese “Drängler“ nicht dazu brachten, schneller zu fahren als ich eigentlich wollte.
Trotz dieser Umstände kamen wir schon gegen 14 Uhr nachmittags in dem winzigen Ort Cathcart (Wikipedia schreibt was von 108 Einwohnern) an und fuhren am Campingplatz erstmal schön vorbei. Huch, Ortsende … was haben wir übersehen? Dass auf einem bei WikiCamp genannten Campingplatz auch mal kein anderer Camper sein kann, das war neu. Aber die freundlichen locals bestätigten, dass man hier stehen dürfte. Aber morgen wurden wegen einer Beerdigung im Ort 400 Leute erwartet, das sollten wir uns nicht wundern. Ah…okay. Nach ein wenig Exploring der Gegend und einer ausgedehnten Ruhepause am nahegelegenen Black Lake suchten wir uns auf dem Cathcart Campground (der übrigens von der Gemeinde selbst auf Spendenbasis angeboten wurde) dann die beste Position zum Übernachten. Wieder kamen direkt locals zu uns, informierten uns über die Beerdigung und dass am nächsten Morgen auch ein Motorhome eines Angehörigen hier stehen würde. Ah, okay, gehen wir in die andere Ecke, no worries. Zum Barbecue und Bier wurden wir auch direkt eingeladen, aber ist vielleicht für zwei Nicht-Biertrinker und eine Quasi-Vegetarierin vielleicht nicht ganz das Richtige. Nebenbei kam raus, dass der junge Mann, um dessen Beerdigung es sich handelte, nur 34 Jahre alt geworden war und bei der Arbeit in der Gegend von einer Spinne gebissen worden war… Ihhh, uff, da bin ich doch gleich wieder viel vorsichtiger aufgetreten. Doch das einzigste, was Thomas und mich biss, waren Ameisen. Große, dicke zwar, aber definitiv nicht tödlich. Local Nr. 3, der uns über die anstehende Großveranstaltung informieren wollte, konnten wir nur noch müde angerissen.“Yeah, we know, mate!“
Cathcart als Ort hat mich in seiner Art irgendwie fasziniert (hier könnte man gut einen Psychothriller spielen lassen…), doch besonders viel machen konnte man dort nicht, wollte man nicht die Cathcart Collectibles, die verrosteten Landwirtschaftsgeräte, im Vorgarten schräg gegenüber vom Campground besichtigen. Aber ich war trotzdem ganz aufgeregt, denn das hier war deutlich ausgewiesenes Platypus-Land! Und an einem Fluß gar nicht so weit von Cathcart gab es laut Google sogar extra eine Aussichtsplattform. Einige Kilometer und dirt roads später stand ich mitten in der prallen Vormittagssonne an einem wunderschönen Fluss nahe Bombala und spähte nach platypus oder Schnabeltieren, wie sie auf Deutsch heißen.
Wieder so eine für Australien einzigartige Tierart und überhaupt eine sehr einzigartige: Ein Tier, das aussieht wie eine Kreuzung zwischen Bieber und Ente, Eier legt, seine Jungen mit Milch ernährt, aber nicht säugt, die Männchen haben Giftstacheln, usw. Eigentlich sind die Platypus ja nachtaktiv, weswegen mein Optismus mitten am Vormittag so ein Tierchen zu sehen, ja nicht sehr groß war. Aber wir mussten nur ungefähr eine Viertelstunde Geduld haben, da zeigten sich die auf den Infotafeln beschriebenen V-förmigen Wellen und kurz darauf tauchte ein glänzender Schnabel auf, drehte einen kleinen Halbkreis und tauchte wieder ab. Das Gleiche wiederholte sich in der nächsten halben Stunde noch zwei Mal – unmöglich zu sagen, ob es immer dasselbe Schnabeltier war oder unterschiedliche. Ich war jedenfalls sehr glücklich über unseren wildlife watching Erfolg.
Große Entfernungen waren in diesen Tagen nicht zu überbrücken, weswegen der nächste free campground wieder zu früh am Wegesrand auftauchte. Pah, kein Problem, sind wir bis East Cape Conran weiter gefahren und haben geguckt, ob der Ozean denn auch in dieser Richtung vorhanden ist. Jup, ist er und immer noch in der frostigen Ausführung, sodass der Strandspaziergang erneut den Vorzug vor dem Schwimmerlebnis erhielt. Gab aber auch jede Menge auf und zwischen den Steinen am Strand zu entdecken (Muscheln, Krebse, Schnecken, Fische, etc.) und natürlich mussten wir auch herausfinden, wie weit dieser Holztreppenweg an der Küste entlang führte.
…Haben wir aber doch nicht raus gefunden, zum Einen war der (lies: mein) Hunger schneller, zum anderen hatten wir irgendwo am Anfang unsere Flip-Flops stehen gelassen und der Weg war nicht durchgehend barfussgeeignet. Manchmal ist es besser, umzudrehen.
Song der Stunde: The Commitments – Destination anywhere