Also, fassen wir nochmal zusammen: Wir waren endlich, nach deutlich längerer Vorbereitungszeit als ich mir in meiner Naivität je hatte träumen lassen endlich unterwegs nach Bribie Island. Immer noch ohne das zwar bestellte, aber nicht pronto lieferbare Dachzelt und leider auch ohne intaktes Reserverad (es stellte sich raus, dass unser Baujahr 1999 Walter eine für heutige Standards ungewöhnliche “Schuhgröße“ hat). Letzteres wog umso schlimmer als dass wir auf dem Weg zum Poverty Creek Camping Ground die 4WD-Fähigkeiten mal so richtig auf die Probe stellen mussten. Egal, musste auch so gehen.
Bribie Island liegt ca. 1 Stunde nördlich von Brisbane und erfreut sich zunehmende Beliebtheit als Altersruhsitz bei den Australiern. Wenn man erstmal so auf die Insel drauf fährt, ist da wenig von Abenteuern zu spüren – sieht aus wie Festland-Australien: Schnurgerade Straßen, gepflegte Vorgärten, hübsche Häuser. Ein Teil der Insel war aber Naturschutzgebiet oder, wie es das große Schild bei der Zufahrtstraße verkündete, die “Bribie Island Recreation Area“ und kann nur und ausschließlich von 4WD Fahrzeugen befahren werden. Das Erste, was passierte, war aber, dass ich mich fast zu Tode erschreckte, weil plötzlich von rechts zwei Kängurus direkt dvor uns über die Straße hoppelten! Verflixt nochmal, sind die groß, schnell und plötzlich da! Thomas hatte nach Sichtung von Hoppeltier No.1 aber schon direkt mit dem Nachzügler gerechnet (eben wie beim heimischen Wildwechsel, gelle?) und Walter vorsorglich gestoppt. Puh… War aber auch ein klares Zeichen dafür, dass uns der Umweg für die Recovery Tracks und die spontanen Versuche, an einen Ersatzreifen zu kommen, viel zu viel Zeit gekostet hatte. Die Sonne ging bereits unter.
Unter einer Straße, die nur von 4WDs befahren werden konnte, hatte ich mir mangels Erfahrungen nicht so richtig was vorstellen können. Aber da lag sie nun vor uns, die Sandpiste (und wir reden hier von feinem, trockenen, pulverigen Dünensand!) … Thomas war so eine Straße auch noch nicht gefahren, hatte sich aber vorher schlau gemacht, was man in so einem Fall am schlauesten tut. Und ließ dementsprechend erstmal die Luft aus den Reifen. Häh? Walter holperte bei einsetzender Dämmerung tapfer über die Sandhügel und brachte uns zunächst langsam, aber stetig, unserem Ziel entgegen. Irgendwann ging es aber nicht mehr weiter und ich hörte neben mir ein leises “Hmmh, stecken wir jetzt fest?“ Thomas, der Mann der Tat, stellte schnell fest, dass wir noch manövrierunfähig waren, aber Gefahr liefen, uns fest zu fahren. Also machte er sich daran, noch mehr Luft aus den Reifen zu lassen. Mir war gelinde gesagt unwohl. Jetzt hier auf dieser einsamen Straße liegenbleiben, bei zunehmender Dunkelheit war nicht gerade mein Wunschszenario. Aber keine zwei Minuten später hielt neben uns ein freundlicher Neuseeländer samt Gattin, fragte, ob wir Hilfe brauchten, gab erstmal eine Runde Tipps zum Fahren hier (“You have to take the tyres down to 16 PSI, mate!“) und bemerkte nebenbei, dass wir hier so gerade noch in cell phone range waren. Uff. Als er mitbekam, dass wir Sandpisten-Rookies waren, kam nur ein trockenes “Great time starting now.“ mit Blick auf die Dunkelheit um uns herum. Er blieb, bis er sicher war, dass wir aus eigener Kraft weiterfahren konnten (tatsächlich war der korrekte Reifendruck der kruziale Punkt) – was für ein netter Typ! Was für ein tolles Land!
Auf dem Poverty Creek Camping ground angekommen mussten wir von unserem Platz erstmal die Kängurus verscheuchen (!) und im Dunkeln zum ersten Mal unser Überbrückungszelt und den Pavillon aufbauen, begleitet von den Gitarrenklängen “Country Roads“ vom Nachbarplatz, wo eine große Familie um den fire Ring saß. Das klappte tatsächlich ganz gut, obwohl ich meine gerade frisch erstandene Kopflampe erst am nächsten Tag im Hellen wiederfand. Wie das immer so ist … Wir richteten uns einigermaßen ein, besuchten die sehr sehr SEHR rudimentären Örtlichkeiten und krochen dann in unser apfelgrünes 3-Personen-Igluzelt. Uff. Irgendwie musste ich ein Gespräch mit meinem guten Freund Tim vor 5 ½ Jahren denken, als wir mit dem “Schlachtschiff“-Reisemobil in New England unterwegs gewesen und uns beim Anblick der Zeltleute auf den dortigen Camping grounds einig gewesen waren, dass wir uns für das Auf-dem-Boden-schlafen mittlerweile echt zu alt fühlten. Ja, sag’ niemals nie – hallooo Isomatte, hallooo harter Waldboden. Roof Top Tent, wo bist du nur?
Als wir dann am nächsten Morgen auf unseren 6 $ – Campingstühlen saßen, die diversen Müslimischungen löffelten und den Kängurus beim Vorbeihoppeln zuguckten, sah die Welt aber schon wieder ganz anders aus. Grün und waldig nämlich. Und bewohnt. Ich war kurzzeitig alarmiert, als plötzlich ein vielleicht 1,70 Meter langes Echsentier durchs Zeltdorf stiefelte. Aber immer gucken, was die Locals machen: Muddi vom Nachbarplatz ermahnte ihre Kiddies zwar sehr ernst “Don’t mess with the goanna!“ und beobachtete das Tier genauso intensiv wie ich, wirkliche Gefahr schien aber nicht zu bestehen. Also behielt ich den schuppigen Besucher einfach mal im Auge. Irgendwann liefen drei oder vier von den Viechern durch die Gegend, aber waren wirklich friedlich, ließen sich von einigen vorwitzigen Campern füttern und schienen uns generell wohl in ihrem Terrain zu dulden. Ich gewöhnte mich langsam an die Reptilien, aber so ganz nah musste ich sie jetzt auch nicht haben. Frühstück zwischen Kängurus, Ibissen (und diverse andere Vögel) und “goannas“ (auf deutsch passt wohl Leguan am besten). Jo, jetzt waren wir im australischen Camperleben angekommen. Thomas, der gerade erst in Indonesien die riesigen Komodowarane quasi “gestreichelt“ hatte, war weitaus weniger beeindruckt als ich.
Da wir zwei Tage auf Bribie bleiben wollten, war nun genug Zeit für DAS Hauptding hier: Sandpiste fahren und die 4WD Eigenschaften des Autos zu erkunden. Da mir ein Ausflug an den Ocean Beach Strand in Aussicht gestellt wurde, war ich schnell überzeugt, mich wieder auf Abenteuerfahrt quer über die Insel zu begeben. Tatsächlich machte unser Walter diesmal deutlich, weshalb der Mitsubishi Challenger als eins der besten Autos für Fahren im Sand gilt. Es dauerte zwar, aber wir kamen an, am Pazifischen Ozean. Und jetzt kam der große Clou an der Geschichte – man konnte dort auch auf dem Strand fahren! Das heißt, nach einem kurzen Spaziergang unter stahlblauen Himmel auf dem wunderbar weißen Sand bei türkis-weißer Brandung (mit anderen Worten: es war ein TRAUMHAFT schöner Tag mit allerdings stechend heißer Sonne) und misstrauischem Beäugen der angespülten blauen Quallen bestiegen wir wieder den Walter und bretterten Richtung Süden den Strand runter. Autoradio an, Australien-Playlist auf dem Handy, links auf die Brandung geguckt und das dicke Grinsen im Gesicht. Was für ein Tag…
Vor und hinter uns fuhren natürlich auch andere 4WD Liebhaber, sodass Leute, die vom Strand zum Wasser wollten, regelrecht nach links und rechts (Entschuldigung, Linksverkehr, also nach rechts und links) gucken mussten, bevor sie ins Meer hüpfen konnten. Die meisten Aussies trugen zum Baden UV-Shirts oder -Abzüge und teilweise sogar Hüte, die Sonne knallte echt fies runter.
Auf einmal staute es sich vor uns, zunächst ohne ersichtlichen Grund. Irgendwann sahen wir dann einen Polizisten und eine Rangerin die Fahrzeuge abschreiten. Irgendeine Form von Kontrolle. “This is a random breathanalyse control.“ kriegte Thomas dann auch schon zu hören. “Sir, did you have a drink in the last 20 minutes?“ – “Erm, I did not have a drink in the last 20 years actually!“ Pusten musste er trotzdem, während Ranger-Lady unsere Vehicle permit per Tablet fix abglich. All good. Puh, irgendwie geht der Puls in solchen Momenten ja doch unbewusst hoch…
Das Strandfahrvergnügen fand kurz danach auch sein natürlich Ende (da Strand zu Ende) und wir uns zwischen anderen 4WDs auf dem Parkplatz wieder, wo alle wieder die Luft in ihre Reifen pumpten. Mit unserem Billig-Kompressor dauerte das tatsächlich ein gutes Ständchen, da der kleine Freund immer wieder Abkühlpausen brauchte. Der Clou: Wir brauchten das nur für die paar Kilometer inklusive Dinner beim Red Rooster durch den Ort, bevor die mühsam aufgepumpte Luft vor der Zufahrt zum Campingplatz wieder ausgelassen werden konnte. Uijuijui! Thomas zeigte mir kurzerhand, wie das ging und ich brachte – stolz über das neue Wissen – mit dem Deflater Walters Schühchen auf 16 PSI (“pound-force per square inch“, ich lerne), noch nicht ahnend, was da noch kommen sollte.
Frohgemut, dass wir so gut für den Heimweg gerüstet waren und diesmal auch im Dunkeln ankommen würden, setzte ich mich hinters Steuer, um auch mal Sandpiste zu fahren. Und das ging dank der Tipps von Thomas doch eigentlich ganz gut – bis wir links vor uns ein anderes Fahrzeug am Straßenrand sahen, das verdächtig still stand. Übrigens ungefähr an der gleichen Stelle, an der wir am Tag zuvor auch Schwierigkeiten hatten.
Als der Fahrer erneut Gas gab, sah man den Sand hoch aufspritzen. Tja. Festgefahren. Gestern waren wir noch die Rookies, heute konnten wir mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die drei Insassen waren echt völlig blauäugig an die Sache rangegangen, hatten weder ihren Reifendruck angepasst noch Ahnung von ihrem Recovery Gear (“This is my brother’s car!). Während Thomas versuchte, mit unseren Recovery Tracks in irgendeiner Weise den Wagen aus dem Sand rauszukriegen, konnte ich mein neues Wissen gleich nochmal Anwesen und brachte das Auto auf die 16 PSI runter. Zum Glück für die drei Nasen kam noch ein 4WD Pickup angebrannt, dessen Fahrer sie mit der korrekten Ausrüstung Tatkraft wieder vorhatte. Die drei hatten allerdings genug Abenteuer gehabt und drehten direkt wieder um. Okay, konnte also weitergehen, ab zum Poverty Creek! … ich traute meinen Augen kaum, als direkt eineinhalb Kurven weiter das nächste Auto stand, das ganz offensichtlich nicht mehr vorwärts kam. Richtig festgefahren hatten sie sich noch nicht, aber wirklich voran kamen sie auch nicht mehr. Vier junge Backpacker aus Belgien mussten die Frage “Did you put your tyres down?“ ebenso verneinen wie die drei Helden zuvor. Also machte ich mich nochmal ans Werk, mit unserem Deflater die Reifen auf 16 PSI zu bringen, mittlerweile im Stockdunkeln. Auch hier mussten wir die eigentliche Rettungsaktion nicht selber durchführen, da selbst zu dieser Uhrzeit doch noch mächtig Verkehr auf der Zufahrtstraße zum Poverty Creek herrschte. Die vier Belgier waren zwar verunsichert, machten sich dann aber doch tapfer auf den Weg, etwas beruhigt, weil wir direkt hinter ihnen fuhren. Und dank der richtigen Drucks klappte das auch ohne weitere Zwischenfälle, sodass wir dreckig wie Schwein von den ganzen Autos und sandig ohne Ende endlich ankamen, sodass mir selbst die Cold Shower herzlichst willkommen war. Meine weiße Hose wird wohl nie mehr dieselbe sein nach diesem Abenteuer.
Was für ein Tag!
Song der Stunde: Talking Heads – Road to Nowhere
Herrlicher Bericht, Kristin. Und, was du alles inzwischen gelernt hast. Bist eine echte Pisten-Lady geworden.
Hi Kristin,
ich scheine ja neben „Mutti“ der einzige andere Kommentarschreiber zu sein, aber egal….ordentlich Viechzeug habt Ihr ja schon gesehen. Und was ist mit dem kookaburra? Schon gehört? Der Blog erinnert uns immer an unsere 3 monatige Australien Reise…ok das war 1982 und damals irgendwie noch nicht ganz so touristisch wie es jetzt teilweise scheint. Also weiter so….
Herrlich, was ihr alles erlebt. Das mit dem Reifendruck hätte ich so spontan auch nicht gewusst
Im übrigen schlafe ich übers Jahr tatsächlich immer am besten in den 10 Tagen Zeltlager mit den Pfadis Dicke Isomatte, kuschliger Schlafsack, Feuer in der Jurte❤️ Und das mit bald 46 und generell immermal Schulter- und Rückenproblemen
Gruß an Walter und den Lieblingsmenschen♀️